Nach übereinstimmenden Medienberichten ist zum 28.04.2021 der von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht eingebrachte Entwurf für ein neues Hinweisgeberschutzgesetz von Seiten der Unionsfraktion endgültig eine Absage erteilt worden. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund problematisch, dass die Whistleblower-Richtlinie (WBRL) bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umzusetzen ist.
In Anbetracht der bevorstehenden Bundestagswahlen und des zeitlich begrenzen Rahmens, der dem deutschen Gesetzgeber bleibt, die Regelungen der Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht zu überführen, ist die Frage berechtigt, was für den hypothetischen aber durchaus möglichen Fall gilt, wenn eine nationale Regelung zum Schutz von Hinweisgebern nicht rechtzeitig durch die Bundesregierung umgesetzt wird.
Bei europäischen Richtlinien handelt es sich um unionsrechtliches Sekundärrecht. Anders als bei EU-Verordnungen gilt hingegen bzgl. Richtlinien ein sog. zweistufiges Rechtssetzungsverfahren gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV, wonach ein verbindliches Ziel durch den Unionsgesetzgeber vorgegeben wird, die Mittel und Wege der Zielerreichung grundsätzlich allerdings den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben. Zu beachten ist lediglich, dass der nationale Umsetzungsakt die praktische Wirksamkeit – den sogenannten „effet utile“ der Richtlinie so gut wie möglich gewährleistet. Dies ist bereits dann nicht der Fall, wenn eine verbindliche Umsetzung in innerstaatliches Recht überhaupt nicht, oder lediglich defizitär erfolgt und so den Vorgaben der Richtlinie bereits im Grundsatz nicht entsprochen wird.
In Ausnahmen können auch einzelne Vorschriften von Richtlinien eine sog. Direktwirkung entfalten und damit unmittelbar Anwendung finden. Vorwegzunehmen ist allerdings, dass eine solche Ausnahme unter anderem im Fall einer sog. horizontalen Direktwirkung von vornherein ausscheidet, wenn eine unmittelbare Wirkung gegen den Bürger zugunsten eines anderen Privaten gegeben ist. Eine solche horizontale Wirkung liegt aber in einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung eines Hinweisgeberschutzsystems gerade nicht vor. Vielmehr handelt es sich um vertikale Direktwirkung. Da Richtlinien nur für Mitgliedsstaaten verbindlich sind, scheidet eine umgekehrte vertikale Wirkung im Umkehrschluss aus. Nach gefestigter Rechtsprechung kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtung für einen Einzelnen begründen. Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt beim Mitgliedsstaat, dem die korrekte Umsetzung in nationales Recht nicht gelang. Daraus ergibt sich aber, dass ein Mitgliedstaat der seine Umsetzungsverpflichtung verletzt hat, sich nicht unmittelbar gegenüber einer Privatperson auf eine Richtlinie berufen, die gesetzliche Verpflichtungen festlegt abzuleiten. Das defizitäre Handeln des Mitgliedsstaates soll nicht zu einem Profit führen, den der Staat daraus erlangt, dass er seine Pflicht nicht oder nur unzureichend nachkommt.
Danach kommt einer Pflicht für Unternehmen zur Einrichtung eines internen Meldekanals für Hinweisgeber gem. Art. 8 Abs. 1, 3, Art. 26 WBRL voraussichtlich keine Direktwirkung zu. Dies gibt den Unternehmen jedoch keine Gelegenheit, der Einrichtung eines solchen endgültig zu entsagen. Vielmehr gibt es den Unternehmen einen Aufschub, die sich bisher in der Pflicht befunden hätten, dieser aber bisweilen keine oder wenig Beachtung geschenkt haben. Zum einen besteht immer noch die Möglichkeit einer rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinie durch den nationalen Gesetzgeber innerhalb der Frist. Wenn nicht überschießend wie im bisherigen Gesetzesentwurf, dann unionskonform, wonach lediglich Verstöße gegen das Unionsrecht über das Hinweisgeberportal zu melden sind. Zum anderen bleibt der Gesetzgeber trotz Umsetzungsdefizit zur Einführung der Regelungen verpflichtet, wonach in absehbarer Zeit mit einer Neuregelung zu rechnen ist.
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