Das Lending („Verleihen“ von Coins gegen Gegenleistung) und das Staking (hauptsächlich Neugenerierung im Rahmen von Proof-of-Stake) von Kryptowährungen wie etwa Bitcoin, Ethereum oder Cardano werden von der Finanzverwaltung die noch ungeklärte Rechtslage zunehmend dazu genutzt, um auch Gewinne aus der Veräußerung der dafür genutzten Coins für bis zu 10 Jahre zu besteuern. Ist das zutreffend und gibt es Handlungsalternativen?

Einleitung

Gerade durch die erheblichen Kursgewinne in letzter Zeit ist das Thema Kryptowährungen (Crypto Coins) in der Breite angekommen. Neben dem Medien- und Anlegerinteresse hat dies die Finanzverwaltung auch bereits seit geraumer Zeit für sich entdeckt und agiert zunehmend professioneller. Während in der Breite noch das reine Handeln (Coin Trading) im Mittelpunkt steht, haben sich darüber hinaus viele Varianten des Erhaltens und der Nutzung von Kryptowährungen etabliert. Hier sind vor allem das Lending und Staking von Coins in den Fokus der Finanzverwaltung geraten.

Finanzamt: Haltefristverlängerung durch Lending und Staking

Neben der Frage, wie denn die zufließenden Coins/Rewards/sonstigen Vergütungen ertragssteuerlich zu erfassen sind, stellt sich vor allem die Frage der Versteuerung von Gewinnen aus dem Unterschied zwischen der Anschaffung von Coins und deren Verkauf. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass es sich dabei um Wirtschaftsgüter gem. § 23 EStG handelt und sowohl das Lending als auch das Staking zu einer Verlängerung der Haltefrist führt. Dies bedeutet, dass die Frist, nach deren Ablauf der Coin steuerfrei verkauft werden kann, von einem auf zehn (!) Jahre verlängert wird. Soweit das Lending bzw. Staking in einem Umfang ausgeübt wird, der einen Gewerbebetrieb darstellt oder dies aus sonstigen Gründen als Gewerbebetrieb zu qualifizieren wäre, ist § 23 EStG nicht anwendbar, da in diesem Fall ohnehin eine Besteuerung durchgeführt wird, und zwar ohne Haltefristen.

Steuerliche Betrachtung im Detail erforderlich

Soweit wir uns im Bereich des privaten Veräußerungsgeschäfts bewegen, stellen sich die nachfolgenden Fragen:

Kryptowährungen als Wirtschaftsgut

Sind Kryptowährungen überhaupt Wirtschaftsgüter gem. § 23 EStG? Hierzu hat das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 20. Juni 2019 – 13 V 13100/19) im Rahmen eines summarischen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung recht knapp festgestellt, dass es daran keine Zweifel hat, da der Begriff des Wirtschaftsgutes auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten umfasse, deren Erwerb sich ein Käufer etwas kosten lasse.

Dies sieht das FG Nürnberg (Beschluss vom 08.04.2020 – 3 V 1239/19) differenzierter: Nach der Auffassung des FG Nürnberg ist es noch nicht geklärt, ob es sich bei Kryptowährungen um Wirtschaftsgüter handelt. Bevor hier aber Siegesgeschrei erklingt: Das FG Nürnberg hat diese Möglichkeit durchaus erkannt und sogar eher bejaht. Es hatte nur Zweifel daran, ob dies generell für alle Kryptowährungen gilt und das Finanzamt auf eine weitere, notwendige und ausführliche Prüfung verwiesen, deren Nichtvornahme das FG Nürnberg bewogen hat, die Aussetzung der Vollziehung zunächst zu gewähren.

Auch der BFH (Urteil vom 29. Oktober 2019 – IX R 10/18) hatte bereits die Chance, sich mit dieser Fragestellung aufgrund einer vom FG Baden-Württemberg zugelassenen Revision zu beschäftigen, wobei es im Fall eigentlich gar nicht um Kryptowährungen ging. Der BFH hat sich in seiner Entscheidung daher auch nicht konkret zu Kryptowährungen geäußert, aber seine grundsätzliche Definition von Wirtschaftsgütern (die das FG Berlin-Brandenburg übernommen hatte) wiederholt. Es ist daher nicht zu erwarten, dass der BFH dies im konkreten Fall von Kryptowährungen anders entscheiden wird.

Der Anschaffungsvorgang in verschiedenen Konstellationen

Weiterhin ist erforderlich, dass das Wirtschaftsgut überhaupt angeschafft wurde. Dies ist eindeutig, soweit der für das Lending oder Staking genutzte Coin gekauft oder getauscht wurde.

Komplexer wird die Angelegenheit da schon bei Airdrops: Soweit dieser tatsächlich ohne Gegenleistung gewährt wird, fehlt es bereits an der Anschaffung. Was aber, wenn es sich um einen Airdrop handelt, der eine Belohnung (Bounty) für die Hingabe von Daten oder ein bestimmtes Verhalten des Empfängers, wie z.B. ein Like oder das Abonnieren eines Kanals voraussetzt? Die EU hat bereits in der Digitale-Inhalte-Richtlinie anerkannt, dass es sich bei der Bereitstellung von Daten um ein Entgelt handelt. Interessant könnte hier noch die Umsetzung ins deutsche Recht werden: Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 21.01.2021 führt die Hingabe von Daten nicht zu einem Entgelt, da diese in § 312 Abs. 1 a) BGB nur zu einer entsprechenden Anwendung der Verbraucherschutzvorschriften gelten soll und darüber hinaus die Gegenleistung (also der Airdrop) grundsätzlich in der Schenkung verankert werden soll (§ 516a BGB).

Soweit die Coins durch eine Hardfork erworben wurden, ist ebenfalls noch keine Klärung erfolgt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages geht davon aus, dass diese wie ein Aktiensplit behandelt wird (also die ursprünglichen Anschaffungskosten geteilt und fortgeführt werden), so dass wir insoweit grundsätzlich im entgeltlichen Erwerb angekommen wären. Demgegenüber wird auch vertreten, die Anschaffungskosten gem. § 20 Abs. 4 a) S. 5 EStG mit 0 EUR anzusetzen (was aber nicht bedeutet, dass es sich nicht um eine Anschaffung handelt, denn dadurch wird nur die Besteuerung des gesamten Gewinns durch eine Fiktion sichergestellt). Schließlich gibt es noch die Auffassung, dass es sich bei der Hardfork nicht um eine Anschaffung handelt, für die der Inhaber der Coins nichts tun müsse. Hier besteht im Einzelfall noch erheblicher Klärungsbedarf, der notfalls auch gegenüber der Finanzverwaltung vertreten werden muss.

Für selbstgeschaffene Wirtschaftsgüter (Mining) gilt § 23 EStG mangels Anschaffung übrigens nicht, allerdings sind wir hier wieder recht schnell in der Gewerblichkeit angekommen, die § 23 EStG überlagert.

Erzielung von Einkünften aus dem Wirtschaftsgut?

Die Verlängerung der Haltefrist greift aber nur dann, wenn die Wirtschaftsgüter zur Erzielung von Einkünften gedient haben. Ob die mit dem Lending bzw. Staking erzielten Einnahmen darunter fallen, ist noch ungeklärt.

Der Wille der Finanzverwaltung geht klar in Richtung der Versteuerung als sonstige Einnahmen der laufenden Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG und kommt damit zur Verlängerung der Haltefrist auf 10 Jahre. Es sprechen aber gute Argumente dafür, dass dies zumindest beim Lending nicht so ist. Diesbezüglich kann man sich z.B. mit dem BFH darauf berufen, dass beim Lending zwischen dem Wirtschaftsgut und der damit generierten Darlehensforderung zu unterscheiden ist. Auch aus der Gesetzesbegründung kann abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber mit der Verlängerung der Haltefristen missbräuchliche Steuergestaltungen verhindern wollte, dabei aber in der Regelung recht uferlos geworden ist.

Kann das beim Staking ebenfalls so gesehen werden? Dies kommt zunächst maßgeblich darauf an, wie das Staking tatsächlich durchgeführt wird (Solo-Staking, Staking-Pool, Delegated Proof-of-Stake Verfahren) und wie sich die Staking Rewards zusammensetzen oder ergeben. Grundsätzlich kann man aber von folgendem ausgehen: Soweit der Zufluss aus dem Block-Reward erfolgt (also der Ausgabe neuer Coins) ist die Lage mit dem Mining vergleichbar; eine verlängerte Haltefrist dürfte in diesen Fällen generell nicht anzunehmen sein. Allerdings ist auch hier wieder die Grenze zur gewerblichen Tätigkeit zu beachten, die beim Staking leicht überschritten werden kann.

Soweit für das Staking eine Transaktionsgebühr gezahlt wird, ist die Lage weiterhin umstritten. Hier wird vertreten, dass auch hinsichtlich des Staking eine Verlängerung der Haltefrist nicht dem Zweck des Gesetzes entspricht. Nach anderer Auffassung kann die Transaktionsgebühr aber im Rahmen des § 22 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sein, so dass die verlängerte Haltefrist einschlägig ist. Soweit dem zu folgen wäre, könnte es im Einzelfall dann sogar günstiger sein, die Tätigkeit als gewerbliche Tätigkeit auszugestalten, um Verrechnungsmöglichkeiten mit anderen Einkünften zu erhalten. Da eine nachträgliche Veränderung nicht möglich ist, muss man diesbezüglich frühzeitig die Weichen in die günstigere Variante stellen.

Fazit

Aufgrund der noch ungeklärten Situation ist daher ein besonderes Augenmerk auf die strategische Ausrichtung, Kommunikation und die Dokumentation gegenüber der Finanzverwaltung zu richten. Dieser Beitrag kann eine fundierte steuerliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Unsere Rechtsanwälte und Steuerberater beraten regelmäßig in diesen Sachverhalten und stehen Ihnen gern zur Verfügung.