Das Bundesjustizministerium hat seinen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken vorgelegt. Dieser soll verbindliche Standards dafür setzen, wie die Betreiber sozialer Netzwerke mit Beschwerden umgehen müssen, und verpflichtet sie zur Löschung strafbarer Inhalte.

Das Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz hat einen Referentenentwurf zur Regulierung von Sozialen Netzwerken vorgestellt. Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) soll soziale Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden insbesondere von Nutzern über Hasskriminalität anhalten. Durch den Entwurf sollen gesetzliche Compliance-Regeln für soziale Netzwerke eingeführt werden. Vorgesehen sind eine gesetzliche Berichtspflicht für soziale Netzwerke über den Umgang mit Hasskriminalität, ein wirksames Beschwerdemanagement sowie die Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Verstöße gegen diese Pflichten können mit Bußgeldern gegen das Unternehmen und die Aufsichtspflichtigen geahndet werden.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Der Gesetzgeber hat sich für eine sehr weite Definition des Anwendungsbereichs entschieden. So heißt es in § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG:

Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (soziale Netzwerke).

Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziales Netzwerk. Eingeschränkt wird der Anwendungsbereich weiter dadurch, dass nur kommerzielle Dienste und nur solche, die mehr als zwei Millionen im Inland registrierte Nutzer haben, unter das Gesetz fallen sollen. Es kommt dabei nicht darauf an, in welchem Land der jeweilige Nutzer hauptsächlich aktiv ist. Bezugspunkt ist allein die IP-Adresse bei der Registrierung.

Das Bundesjustizministerium geht in der Begründung des Entwurf davon aus, dass wegen dieses Schwellenwertes höchstens zehn soziale Netzwerke berichtspflichtig werden. Allerdings dürften unserer Einschätzung nach neben den klassischen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter auch alle relevanten Messenger wie WhatsApp darunter fallen. Weiter wird angenommen, dass auch Webmailer, Datingportale, Videochat-Dienste, Datenspeicher- und Austauschdienste wie Dropbox und sogar One-Klick-Hoster betroffen sein könnten. Auf Anfrage von netzpolitik.org schloss ein Sprecher des Justizministerium Webmail von der Regelung aus, bei Speicherdiensten wie Dropbox gehe er lediglich davon aus, dass sie nicht darunter fallen.

Pflichten der Anbieter sozialer Netzwerke

Soziale Netzwerke werden sollen gesetzlich verpflichtet werden, vierteljährlich über den Umgang mit Beschwerden über strafrechtlich relevante Inhalte zu berichten. Der Bericht soll sowohl statistische Angaben über das Beschwerdevolumen und die Entscheidungspraxis der Netzwerke enthalten als auch über die mit der Bearbeitung der Beschwerden beauftragten Beschwerdeteams informieren. Der Bericht soll im elektronischen Bundesanzeiger und auf der eigenen Homepage des sozialen Netzwerks leicht auffindbar veröffentlicht werden.

Der Entwurf legt darüber hinaus gesetzliche Standards für ein Beschwerdemanagement fest, die gewährleisten sollen, dass soziale Netzwerke offensichtlich strafrechtlich relevante Inhalte, die den objektiven Tatbestand einer der in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten Strafvorschriften erfüllen, in der Regel 24 Stunden nach Eingang der Nutzerbeschwerde löschen.

Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 90, 90a, 111, 126, 130, 140, 166, 185 bis 187, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen.

Dabei wirken die im Gesetz abschließend genannten Normen zum wahllos zusammengestellt. Entsprechend der Gesetzesbegründung, soll es bei dem Entwurf nicht um staatliche Reaktionen auf Verstöße gegen beliebige Verletzungen des geltenden Rechts durch Einträge in sozialen Netzwerken gehen kann (wozu etwa selbst geringfügige Verletzungen von verwaltungsrechtlichen Verboten oder auch vertraglichen Pflichten gehören können). Es sei nicht Ziel des Gesetzes, auf den Plattformen der sozialen Netzwerke begangene Ordnungswidrigkeiten oder bloße unerlaubte Handlungen zu erfassen. Berechtigterweise kritisiert daher der Kollege Niko Härting:

Warum soll eine „Fälschung beweiserheblicher Daten“ (§ 269 StGB) zu einer Löschpflicht führen, nicht jedoch eine „Verletzung von Privatgeheimnissen“ (§ 203 StGB)? Warum sollen Beiträge gelöscht werden, die eine „Bedrohung“ (§ 241 StGB) enthalten, nicht jedoch  pornographische Inhalte, die Minderjährigen zugänglich sind (§ 184d StGB)? Wieso braucht man die Löschpflicht bei einer Verunglimpfung der Nationalhymne (§ 90a Abs.1 Nr. 2 StGB), nicht jedoch bei einer verfassungsfeindlichen Verunglimpfung der Bundeskanzlerin (§ 90b StGB)?

Wie im Übrigen die sog. „Fake News“ durch diese Regelung erfasst werden sollen, ist mehr als fraglich.

Schließlich adressiert der Entwurf auch eines der Hauptprobleme bei der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, das Fehlen von verantwortlichen Ansprechpartnern bei den Betreibern der sozialen Netzwerke für Justiz, Bußgeldbehörden und für Betroffene und das Fehlen einer zustellungsfähigen Adresse des Plattformbetreibers in Deutschland. Jetzt sollen die Diensteanbieter von sozialen Netzwerken künftig gesetzlich verpflichtet werden, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland vorzuhalten und in Zivilprozessen, die gegen sie geführt werden, sowie in Bußgeldverfahren nach diesem Gesetz einschließlich des gerichtlichen Verfahrens unverzüglich zu benennen. Die Vorschrift gilt für alle sozialen Netzwerke unabhängig von ihrem Sitz im Inland oder im Ausland.

Rechtsfolgen bei Verstößen

Die vorsätzliche oder fahrlässige Nichteinhaltung der Berichtspflicht und die Zuwiderhandlung gegen die Pflicht, ein wirksames Beschwerdemanagement vorzuhalten, stellen nach dem Entwurf eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 5 Millionen Euro geahndet werden kann. Die Ordnungswidrigkeit knüpft im Hinblick auf das Beschwerdemanagement an die Organisationspflichten an. Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Beschwerdemanagement gar nicht oder mangelhaft einrichtet, organisatorische Unzulänglichkeiten nicht beseitigt oder die gesetzlichen Vorgaben für das Beschwerdemanagement über einen nicht unerheblichen Zeitraum verfehlt. Die Geldbuße soll gemäß § 17 Absatz 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) den wirtschaftlichen Vorteil aus der Ordnungswidrigkeit übersteigen.

Durch den daneben anwendbaren § 130 OWiG ist auch eine Verfolgung des Inhabers des Unternehmens, das das soziale Netzwerk betreibt, möglich, wenn die Zuwiderhandlung gegen die Pflicht zur Vorhaltung eines wirksamen Beschwerdemanagements oder gegen die Berichtspflicht durch gehörige Aufsicht hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden können. Nach Maßgabe des § 30 OWiG kann auch gegen juristische Personen und Personenvereinigungen eine Geldbuße festgesetzt werden. Das Höchstmaß der Geldbuße nach diesem Entwurf erhöht sich in diesem Fall auf 50 Millionen Euro (§ 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG).

Fazit

Der Entwurf schießt insbesondere mit der weiten Definition des Begriffs „Soziales Netzwerk“ über das angestrebte Ziel, die zunehmende Verbreitung von Hasskriminalität [sic!] in klassischen sozialen Netzwerken wie Facebook, YouTube und Twitter zu unterbinden, übers Ziel hinaus. Messenger wie WhatsApp, aber auch Webmailanbieter und Speicherdienste fallen unter den Wortlaut des Gesetzes.

Es ist zu befürchten, das die teilweise äußerst kurzen Fristen für die Anbieter dazu führen, dass eine eigentlich erforderliche juristische Prüfung des jeweiligen Sachverhalts unterbleibt und im Zweifel gelöscht wird, um die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen und die hohen Bußgelder zu vermeiden. Zudem ist davon auszugehen, dass die Anbieter sich zunehmend entsprechender technischer Hilfsmittel, wie beispielsweise Uploadfilter, bedienen werden, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Die Gefahr der fortschreitenden Privatisierung der Rechtsdurchsetzung und einer intransparenten Zensur durch die von diesem Gesetz betroffenen Anbieter dürfte hierdurch weiter zunehmen.

Die Benennung eines verantwortlichen Ansprechpartners zur Rechtsdurchsetzung seitens der Plattformbetreiber ist demgegenüber zu begrüßen.

Christian Krösch