Die Videoüberwachung wird in den letzten Jahren immer allgegenwärtiger und bleibt auch eines der wichtigsten Dauerbrenner des Datenschutzrechts. Der anhaltende Trend zur Ausweitung der Videoüberwachung sowohl im Verkehrs- als auch im öffentlichen Raum ist ungebrochen. Zu der Problematik rund um die Videoüberwachung tragen auch fortschrittliche Technologien – wie neue Kamerasysteme – und die Verbilligung von Überwachungssystemen bei, weil sowohl staatliche als auch private Stellen noch immer teilweise leichtfertig große Flächen mittels solcher Gerätschaften quasi dauerüberwachen. Dabei ist der Ruf der Videoüberwachung als „zweischneidiges Schwert“ nicht nur in juristischen Fachkreisen mittlerweile hinlänglich bekannt. Nichtsdestotrotz beschäftigen nach wie vor zahlreiche Verfahren rund um das Thema Videoüberwachung die Gerichtsbarkeit.
Sachverhalt
Jüngst kam das VG Ansbach mit Urteil vom 23.02.2022 zu dem Ergebnis, dass die Videoüberwachung eines Fitnessstudios im konkreten Fall einen datenschutzrechtlichen Verstoß darstellt und mangels Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung als rechtswidrig zu unterbleiben hat. Das VG Ansbach prüft am vorliegenden Fall beinahe lehrbuchartig die Voraussetzungen, die an die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung zu stellen sind. En Detail ging es um eine Videoüberwachungsanlage eines Fitnessstudios, die den gesamten Trainingsbereich, einschließlich des Thekenbereichs durchgängig während der Öffnungszeiten mit sechs Videokameras ohne Tonaufzeichnung überwachte. Grund für die Maßnahme sei die Prävention und ggf. Aufklärung von Diebstählen und Sachbeschädigungen, sowie der Schutz der weiblichen Trainierenden vor sexuellen Übergriffen. Die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde sah nach dem Hinweis einer Kundin des Betreibers in der Maßnahme eine unzulässige Videoüberwachung, da das berechtigte Interesse der Trainierenden an der Freiheit von Überwachung im Freizeitbereich, die geltend gemachten Interessen des Fitnessstudiobetreibers überwiegen. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das VG Ansbach in seiner Entscheidung an.
Entscheidung
Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist grundsätzlich dann rechtswidrig, wenn sich keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitungstätigkeit findet. Nach Ausführung der Behörde käme für die Überwachung lediglich ein berechtigtes Interesse des Betreibers (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO) in Betracht. Dessen Voraussetzungen würden hier auf Grund der Art des Eingriffs allerdings nicht vorliegen. Im Rahmen der Prüfung des berechtigten Interesses sind die gegenüberstehenden Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Dazu führt das Gericht aus, dass der Betreiber im Rahmen eines berechtigten Interesses nur eigene Interessen, jedenfalls nicht die der Trainierenden geltend machen kann, da nach Auffassung des Gerichts keine Pflicht des Betreibers zur Abwehr jeglicher Gefahren oder Schäden von den Trainierenden bestehe. Im Ergebnis würden daher die schutzwürdigen Interessen der Trainierenden an der Freiheit von Überwachung im Freizeitbereich, in dem auch soziale Kontakte gepflegt würden, als Kernelement des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen. Daher war die Videoüberwachung unzulässig.
Empfehlungen für die Praxis
Vor dem Hintergrund der Regelmäßigkeit mit denen Fälle von Videoüberwachung vor Gericht gebracht und für unzulässig erklärt werden, sollten sich Betreiber einer Anlage oder eines Vorhabens verpflichtet fühlen, die Notwendigkeit und vor allem die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer Videoüberwachungsanlage zu über- und vor allem zu Ende zu denken. Mit dem Betrieb einer Videoüberwachung treffen den Betreiber ggf. weitere Pflichten wie bspw. die Ernennung eines Datenschutzbeauftragten unabhängig der Mitarbeiterzahl (Art. 37 Abs. 1 b) DSGVO) und die Durchführung einer sog. Datenschutz-Folgenabschätzung (Art. 35 DSGVO), die nach deutschem Recht ebenfalls die verpflichtende Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach sich ziehen kann (§ 38 Abs. 1 BDSG).
Die Installation einer Überwachungsanlage kann viele Vorteile für Unternehmen bieten und ist dank eines fortschreitenden Stands der Technik mitunter auch immer kostengünstiger zu verwirklichen. Allerdings sollten bei der Entscheidung die Opportunitätskosten nicht leichtfertig übergangen werden. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass Datenschutz auch eine gesellschaftliche Verantwortung innewohnt, die durch die zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden konsequent durchgesetzt wird.
- BGH-Urteil zum Facebook-Datenleck: Schadensersatz bei Kontrollverlust - 19. November 2024
- Erstes KI-Urteil in Deutschland: LG Hamburg entscheidet im Urheberrechtsstreit um KI-Trainingsdaten - 9. Oktober 2024
- EuGH: Datenschutzbehörden müssen nicht in jedem Fall Bußgelder verhängen - 26. September 2024